Schweden gehört zu den Ländern, in denen ich sehr gern Urlaub mache. Manchmal ergibt es sich, dass aus diesem Land Impulse kommen, die auch für meine Arbeit wichtig sind. Vor ein paar Jahren gab mir eine Kollegin ein Faltblatt, das sich an Konfirmandeneltern wendet und das sie in einer südschwedischen Gemeinde entdeckt hatte.
Mich hat dieser Elternbrief mit seiner wertschätzenden achtsamen Art sehr berührt. Deshalb veröffentliche ich hier in Auszügen den ersten Teil. Der zweite Teil folgt in der nächsten Woche.
Zur Erklärung: in Schweden ist es üblich, dass sich auch fremde Erwachsene duzen. Das habe ich in der Übersetzung beibehalten.
„In diesem Faltblatt kannst du mehr über die Konfirmation lesen und was es bedeutet, jugendlich zu sein. Wenn du Fragen hast oder mit jemandem sprechen möchtest, nimm gern Kontakt mit deiner Kirchengemeinde auf …
Die Kindheit zu verlassen ist sowohl mit Freude als auch mit Sorgen verbunden. Das Sichere und Gewohnte gilt nicht mehr, neue Interessen locken … Neue Gedanken und Ansichten entwickeln sich …
Du liebst dein Kind und wünschst ihm alles Gute für die Zukunft. Du hast ihm etwas sehr Wichtiges zu vermitteln: du bist wichtig, du bist es wert, dass es dir gut geht, ich stehe für dich ein.
Du hast auch Fragen an dein Kind: was ist wichtig für dich, wie willst du dein Leben gestalten? Es ist nicht sicher, dass jemand anderes diese Fragen stellt …
Bisher warst du die Norm für dein Kind, das Vorbild, wie Erwachsene sein sollten. Nun bist du wichtig als Gegenpol. Um ein erwachsener Mensch zu werden, muss dein Kind herausfinden, worin ihr euch gleicht und worin ihr euch unterscheidet. Natürlich wird erst das Trennende betont, denn in den Unterschieden wird ja deutlich, dass dein Kind eine eigene Person ist.
Es ist wichtig, dass du als Eltern dich traust, zu deinen Ansichten zu stehen und für sie Respekt forderst. Aber du musst auch die Grenzen respektieren, die dein Kind zieht. Gib deinem Kind die Möglichkeit, seinen Standpunkt zu erklären. Vielleicht bist du die einzige Person, die durchdachte Erklärungen und Motive für die Handlungen deines Kindes erwartet. Auch wenn dein Kind das vielleicht nicht erkennen wird, so bist du doch immer noch eine sehr wichtige Person in seinem Leben.
Für die meisten Jugendlichen bedeuten Gefühle sehr viel. Auch die, die nach Außen hin ruhig und ausgeglichen wirken, können erfüllt sein von Gedanken und Fragen, die von Tag zu Tag wechseln. Um seine Gefühle zu erkennen und sie gelassen zeigen zu können, braucht es Übung. Eine Voraussetzung dafür, etwas zu wagen, ist es, Sicherheit zu kennen. Das gilt auch für das Wagnis, seine neuen Ansichten und Gefühle zu äußern. Es kann sein, dass ein junger Mensch, der ganz negativ und kritisch zu sein scheint, jemand ist, der sich in der Beziehung zu seinen Eltern sehr sicher fühlt.
Für Jugendliche ist der Freundeskreis sehr wichtig. Die Freundschaft bedeutet Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft, aber auch gegenseitige kritische Betrachtung der Kleidung, des Auftretens und des Verhaltens. Die eigene Identität wächst mit der Gruppe als Grundlage. Die Gleichheit in den Interessen, im Stil der Kleidung und im Musikgeschmack ist ein wichtiger Teil der Gruppenidentität.
Es ist wichtig, dass du als Eltern respektierst, dass dein Kind das Recht hat, über sein eigenes Aussehen zu entscheiden. Gleichzeitig muss dein Kind auch Rücksicht nehmen auf deine Ansichten über die passende Kleidung zum Beispiel bei Familienfesten.
Rücksicht zu nehmen und Kompromisse zu schließen ist wichtig für alle in der Familie.
Foto: Matthias Hempel
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