Rücken- oder Gegenwind für die Kirche?

Den Blick schweifen lassen. Die Aussicht genießen. Den dichten Nebel überblicken. Ein wenig geht es uns vielleicht wie dem Wanderer über dem Nebelmeer, 1817 von Caspar David Friedrich gemalt. Der Wanderer ist zugleich ein Teil der Natur, die er betrachtet und zugleich ein Fremder, der urban gekleidet schroffe Felsen erklimmt.

So sollten wir es mit den sogenannten Megatrends machen, die von Wissenschaftlern ausgemacht werden. Sie wirken dauerhaft auf allen Ebenen und beeinflussen die Tiefenstruktur der Gesellschaft, mindestens international und oft auch global.
Und das sind sie, die Megatrends: Urbanisierung, Indiviualisierung, Gendershift, Wissenskultur, Silver-Society, Sicherheit, Konnektivität, Neo-Ökologie, Gesundheit, Globalisierung, New Work und Mobilität.

Und wir als Kirche sind mittendrin und fragen uns, was das mit uns macht, ob wir dem wehrlos ausgesetzt sind, ob wir dem etwas entgegenhalten können oder überhaupt sollten. Viele spannende Herausforderungen. Es lohnt, sie zu diskutieren und gute Schlussfolgerungen zu ziehen. Sowohl für die Institution als auch für die persönliche Haltung.

Bei einem eindrucksvollen Besuch in der ZEIT-Redaktion am Speersort 1 in Hamburg entdeckte ich einen Spruch, den ich mir gerne zu eigen mache, um mein eigenes Selbstverständnis und Lebensgefühl – in kleiner Münze und auf mein Umfeld bezogen – zu beschreiben:
„Du veränderst die ZEIT, die ZEIT verändert dich!“

Neue Konfi-Studie

Fast 20 Prozent aller Jugendlichen eines Jahrgangs nehmen an der Konfizeit teil. Keine andere Altersgruppe wird in so hohem Maße durch ein kirchliches Angebot angesprochen. Das klingt doch gut, oder?

Vom 4.-6. März fand in der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin eine Tagung statt, auf der sowohl eine internationale Studie (Schweden, Finnland, Ungarn, Schweiz, Norwegen, Deutschland) als auch die dritte bundesweite Studie zur Konfi-Arbeit vorgestellt wurde.

Wie sagte Bischöfin Kirsten Fehrs, die amtierende Ratsvorsitzende der EKD, in ihrem Grußwort: „Die Chancen sind groß, die Möglichkeiten, etwas zu verpassen, aber auch.“

Klar ist, dass die Studienergebnisse nur bedingt repräsentativ sind. Die Befragung, die erstmals mit dem Feed-Back-Tool i-konf durchgeführt wurde, fand 2021 statt, also mitten in der Corona-Pandemie. Deshalb haben vor allem Gemeinden teilgenommen, die in diesen herausfordernden Zeiten, die viele gelähmt haben, besonders aktiv gewesen sind.

Trotzdem geben die Antworten der fast 3.500 Konfis und über 800 Mitarbeitenden wichtige Aufschlüsse über die aktuelle Entwicklung und Bedeutung der Konfi-Arbeit. Die Bücher zu den Studien erscheinen erst im Sommer (deutsche Studie) bzw. im Herbst (international Studie). Deshalb müssen alle, die sich selber genauer informieren wollen, noch etwas gedulden.

Hier ein paar wenige Schlagzeilen aus meiner Wahrnehmung:

Konfirmation – wozu ist die noch mal gut?
Während 1972 mehr als 90% der Deutschen Bevölkerung entweder katholisch oder evangelisch war, sind es 50 Jahre später knapp unter 50%. Wurden 2008 noch ein Drittel der Jugendlichen einer Altersstufe konfirmiert, sind es 2022 nur noch ein Fünftel (ca. 140.000). Das sind immerhin aber noch fast 80% aller evangelischen Jugendlichen. Im Bereich der Gliedkirchen der EKD schwanken die Quoten regional durchaus erheblich (von über 90% bis unter 60%).
Auch in den anderen europäischen Ländern nimmt die Zahl der Konfirmationen ab. Das hat wesentlich demografische Ursachen, liegt aber auch begründet an den religiösen Traditionsabbrüchen in Familie und Gesellschaft. Was „Konfirmation“ ist und warum sie Sinn macht, ist nicht mehr selbstverständliches Allgemeinwissen. Also gilt es, auf den Marktplatz zu gehen und dafür zu werben. Klar ist aber auch: Die beste Werbung für die Konfirmation ist eine erfolgreiche Praxis.

Forschung verbessert Praxis
Die Studien zur Konfi-Arbeit und die daraus gewonnenen Erkenntnisse haben dazu geführt, dass sich an vielen Orten die Praxis geändert hat. Mehr Elemente aus der Jugendarbeit, Methodenvielfalt, mehr Wochenendaktionen, mehr und längere Freizeiten und Camps, eine ausgebaute Elternarbeit und vor allen die Schlüsselrolle von Teamer:innen kommen zum Tragen: jedes Jahr wirken 50.000 Teamer:innen in der Konfizeit mit. Konfis werden mehr und mehr beteiligt und als Subjekte ihrer eigenen Religiosität ernstgenommen.

Pfarrer:innen machen Konfi gerne
Fragt man die Pfarrer:innen nach ihre „Lieblings“-Diensten, dann folgt die Konfizeit nach Gottesdiensten und Kasualien an dritter Stelle. Dem entspricht, dass eine große Mehrheit der Konfis den Pfarrer:innen bescheinigt, dass sie auch unter teilweise sehr schwierigen Bedingungen „ihr Bestes“ gegeben haben, um ihnen eine gute Konfizeit zu ermöglichen. Eine der daraus abgeleiteten Folgerungen des Forscherteams lautet: Auch wenn Konfizeit immer mehr von einem multiprofessionellen Team verantwortet wird, wäre es unklug, Pfarrer:innen aus der Mitarbeit gänzlich abzuziehen. Zugleich macht es Sinn, dass diejenigen die Konfizeit gestalten, die dazu begabt und befähigt sind. Dank regionaler Kooperationen sind die Zeiten vorbei, in denen in diesem Arbeitsfeld „unglückliche“ Pfarrpersonen sich selbst und auch den Konfis keinen Gefallen tun.

Mit Spaß lernst du mehr über den Glauben
Immer mehr Jugendliche nehmen an der Konfizeit aus eigener Motivation heraus teil. Immer mehr Konfis machen mit, weil sie gehört haben, dass die Konfizeit Spaß macht und sie dort gute Gemeinschaft erleben. Damit zusammenhängend sagen viele am Ende der Konfizeit, dass ihre eigenen Fragen zum Glauben vorgekommen sind und sie mehr über Gott gelernt haben. Spaß haben und etwas über den Glauben lernen bedingt sich anscheinend. Wie sagte ein finnischer Kollege nur leicht augenzwinkernd: Fun, Friends & Faith wäre doch ein guter Slogan, um zur Konfizeit einzuladen.

Digitale Medien sind ein Pluspunkt
Digitale Medien bzw. Tools werden in der Konfizeit hauptsächlich zur Kommunikation verwendet. Es liegt auch auf der Hand, dass Konfis, die ganz selbstverständlich „onlife“ unterwegs sind, mehrheitlich erwarten, dass digitale Medien in ihrer Konfizeit vorkommen. Nur zur Hälfte wird der digitale Einsatz kompetent erlebt und wenn, dann sind es eher die Teamer:innen, die derart rüberkommen. Insgesamt wünschen sich aber die Konfis gar nicht unbedingt noch mehr digitale Formate im Miteinander. Digitale Medien sind demnach nicht der Game Changer. Die positive Wahrnehmung und der Erfolg der Konfizeit hängt letztendlich nicht entscheidend davon ab, ob sie digital ausgerichtet ist. Das persönliche Miteinander ist von viel höherer Bedeutung für die Zufriedenheit. Manche Antworten lassen sogar vermuten, dass die Konfizeit sogar eine gute Gelegenheit sein könnte, mal für eine Weile nicht permanent online zu sein.

Nonfirmand:innen, Abbrecher:innen, Neu Getaufte
Aus der skandinavischen Forschung kommt die Bezeichnung der evangelischen Jugendlichen, die sich nicht konfirmieren lassen, als Nonfirmand:innen. Dass der Anteil dieser Gruppe zugenommen hat, verdankt sich, wie oben schon erwähnt, der Zunahme der individuellen Teilnahmeentscheidung.
Stetig nimmt seit einigen Jahren auch die Zahl derjenigen zu, die während der Konfizeit die Teilnahme abbrechen (2022 – 8%; 2008 – 2%).
Eine ebenfalls noch zu wenig beachtete Gruppe sind die Jugendlichen, die sich erst im Laufe der Konfizeit taufen lassen. Immerhin sind das seit vielen Jahren relativ konstant an die 6% der Konfis. Seit 2007 sind das insgesamt fast 180.000 Christen. Die Zahl derer, die sich während der Konfizeit taufen lassen, ist damit höher als die all derer, die sich pro Jahr als Erwachsene taufen lassen! Inhaltlich interessant ist die Feststellung, dass die in der Konfizeit Getauften in einem deutlich höheren Maß ihre Glaubensfragen bearbeiten konnten als alle anderen Teilnehmer:innen.

Fröhlich experimentieren
Was tun angesichts der vielen Erkenntnisse? Es gibt, so sagte es ein Referent zum Abschluss der Tagung, keinen Grund, sorgenvoll zu fragen, ob die Konfi-Arbeit eine Zukunft hat. Es geht darum, immer wieder neu zu sondieren und zu experimentieren, wie sie eine Zukunft hat!
Die aktuelle Kirchen-Mitgliedschafts-Untersuchung (KMU 6) zeigt ja auf, wie wichtig die Konfi-Arbeit für die religiöse Bildung junger Menschen ist. Vielleicht etwas pointiert hat das ein von mir sehr geschätzter Experte mal zusammengefasst: „Die Konfirmation ist die neue Mutter der Kirche.“

Beitragsbild: Prof. Dr. Henrik Simojoki, eines der Mitglieder der Forschungsgruppe der Konfi-Studie, präsentiert in einem der zahlreichen Workshops Studienergebnisse zum Thema „Lernen in der Konfi-Zeit“.

Fußball KonfiCup 2024 – ein Erfolg

Eine tolle Atmosphäre herrschte im Soccer-Park Hannover am 10. Februar. 18 Konfi-Mannschaften aus den Landeskirchen Hannover, Braunschweig, Schaumburg-Lippe, der Reformierten und Oldenburg spielten fair und mit vollem Einsatz um den Siegerpokal und um die Plätze für das EKD-Finale an Himmelfahrt in Köln. Begleitet von zahlreichen Fans und Betreuer:innen, hatten sich schon früh am Morgen viele Mannschaften auf den Weg gemacht, um rechtzeitig zur Eröffnung vor Ort zu sein: Coole Musik von Popkantor Till von Dombois, ein Grußwort von Fußball-Nationalspielerin Alexandra Popp, ein herzliches Willkommen von den Hauptorganisatoren Inga Rohoff (Kirche und Sport) und Peti Schmidt (Sportpfarrer der Hannoveraner) und Segenswünsche von Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes.

Mit schicken Trikots und ausreichend Proviant versorgt, konnten die Spiele beginnen.
In der Vorrunde jeweils acht und in der Finalrunde jeweils sieben Minuten Spielzeit pro Spiel klingt nicht viel. Da aber jeder Platz ausgespielt wurde, durften alle Teams insgesamt 10 Spiele austragen, die vier Erstplatzierten sogar 11. Da war schon zu spüren, dass einigen irgendwann ein wenig die Puste ausging, allzumal etliche Spieler:innen sonst gar nicht so viel mit Fußball am Hut haben.
Was mir auffiel: Wie sehr die Mannschaften darauf achteten, alle Spieler:innen in Szene zu setzen. Auch die Halbprofis aus den Vereinen dribbelten sich nicht nur alleine schwindelig, sondern hatten den Blick für die anderen.

Zum Glück gab es wenig Verletzungen. Ein Mädchen, die umgeknickt war, saß ganz unglücklich am Spielfeldrand und erzählte mir, dass sie sich gerade jetzt keine Verletzung leisten könnte. Als Hockeyspielerin habe sie ein volles Programm vor sich und sei erst vor kurzem wegen einer ernsteren Blessur länger ausgefallen. Eine Kühlkompresse später ging es ihr schon wieder besser und ich sah sie später am Rande des Finales fröhlich mit ihren Freundinnen durch die Halle laufen.
Apropos Finale: Buxtehude setzte sich mit 3:1 gegen die Südstadt Hannover durch und feierte ausgelassen den Sieg im ersten könföderierten Fußball KonfiCup Niedersachsens. Am Ende waren alle sich einig, dass es nächstes Jahr am gleichen Ort zu einer Neuauflage kommt.

Die Mannschaft aus den Nordgemeinden Wilhelmshaven, betreut von einem ehrenamtlichen Team mit Diakon Matthias Rensch, errang am Ende eine guten 10. Platz. Als bestplatzierte – und leider nur als einzige gemeldete – Mannschaft aus der oldenburgischen Landeskirche ist sie damit automatisch für das EKD-Finale an Himmelfahrt in Köln qualifiziert. Dort treffen sich alle Landeskirchensiegermannschaften, um die beste Fußball-Konfi-Mannschaft Deutschlands zu ermitteln. Und alle, die mit dabei sind, haben im Anschluss die Gelegenheit, das DFB-Pokalfinale der Fußballfrauen im Rheinenergie-Stadion zu besuchen. Wir drücken die Daumen!

Menschenrechte on tour – und online

Noch bis zum 3. Februar ist in der Oldenburger Lamberti-Kirche eine kleine Wanderausstellung der Evangelischen Kirche n Deutschland (EKD) Menschen.Rechte.Leben. aufgebaut, die schon seit April 2019 durch die Republik unterwegs ist. Sozusagen vom 70. bis über das 75. Jubiläumjahr der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 hinaus.

Vom 22. – 26. Januar gibt es als Bonus zusätzliche Projekte, die Studierende des Instituts für evangelische Theologie der Uni Oldenburg erarbeitet haben. Es werden spezielle Führungen für Schulklassen und Konfi-Gruppen angeboten. Termine sind über die Website buchbar.

Geboten werden drei begehbare Menschenrechts-Boxen, ein großer Menschenrechte-Turm aus gestapelten Pappelementen und kleinere Objekte, die im Raum verteilt und ausgelegt werden können. Einige interaktive Elemente laden ein, einen eigenen Standpunkt einzunehmen bzw. eine Meinung zu äußern. Insgesamt sind für meinen Geschmack solche Ausstellungen sehr textlastig und für viele (nicht nur) junge Menschen schwer zugänglich.

Umso gespannter darf man auf die Projektwoche sein, in der Besucher:innen die erarbeiteten Projekte, ergänzend zur ursprünglichen Ausstellung durchlaufen können. Es geht um
– Religionsfreiheit – Was ist das eigentlich? Und wie denken andere Menschen auf der Welt darüber?
– Menschenrechte vs. Menschenrechte – Kann man Menschenrechte gegeneinander aufwiegen?
– Willkommen im Jahr 2048 – 100 Jahre Menschenrechte!
– Queerness, Kirche, Menschenrechte – wirklich ein Widerspruch?

Alle Infos zur Ausstellung und die ganze Ausstellung inklusive pädagogischem Material zur Vor- und Nachbereitung als Download finden sich hier

Ganz konkret und weltweit setzen sich für die Menschenrechte im Bereich der oldenburgischen Kirche lokale Gruppen von Amnesty International ein: www.amnesty-oldenburg.de www.amnesty-cloppenburg.dewww.amnesty-lohne.dewww.amnesty-wilhelmshaven.de ein

Kreuz und Queer in der Konfi-Arbeit

Was heißt „Mann sein“ / „Frau sein“ für mich? Und gibt es etwas dazwischen? —Welche Geschlechterrollenbilder waren bzw. sind für mein Leben prägend? — Welche Geschlechtsidentitäten, sexuelle Orientierungen, Familien- oder Lebensmodelle sind für mich positiv besetzt und welche negativ? Und warum?

Ganz persönlich und in vertrauensvollen Gesprächen tauschen wir uns über diese und andere Fragen aus. Es ist spannend und manche Erinnerungen, Gedanken und Gefühle aus unserer Biografie kommen hier erstmals oder wieder neu zum Vorschein.
Wir schauen uns Filmausschnitte von „Queer gel(i)ebt“ und „Wilhelmine – Komm, wie du bist (Behind the Lyrics)“ an. Wir bahnen uns den Pfad durch einen Wortdschungel (von aromantisch bis Transition) und puzzeln mit dem Genderbread (siehe Beitragsbild). Wir machen soziometrische Übungen („Ich habe mich schon mal beim Geschlecht vertan“; „Ich achte auf gendergerechte Sprache, auch in Bibeltexten“), hören Zahlen und Fakten zu LGBTQ+. Und natürlich fragen wir nach Konsequenzen für die praktische Arbeit mit Konfis, von der Schaffung eines Schutzraums für die Vielfalt der Persönlichkeiten gegen Diskrimierung über eine gendersensible Re-Lektüre biblischer Texte bis hin zu klassischen Konfizeit-Themen wie „Identität“, „G*TT“ und „Schöpfung“. Gelingt es uns beim Erzählen der biblischen Schöpfungsberichte traditionelle Polaritäten zu überwinden: Gott schuf Himmel und Erde und das dazwischen…

Rahmen für diesen Fachtag am 7. November zum Thema „Queer- und gendersensible Konfi-Arbeit“ ist die Jahrestagung der Konfi-Dozent:innen der EKD im Evangelischen Zentrum Kloster Drübeck. Referentin Carina Kuznik, Konfi-Dozentin der Ev. Kirche von Westfalen und Referent Volker Nies von der Philipps-Universität in Marburg öffneten mit viel Herzblut und Fachwissen einen weiten Horizont für eine Konfi-Arbeit, bei der junge Menschen erleben:

Du bist gut, so wie du bist! Du darfst hier sein, wie du bist! Du darfst dich mit all den Themen, die dich beschäftigen, hier einbringen! Du darfst lieben, wen du möchtest! Du brauchst hier keine Angst haben, so zu sein, wie du bist! Gott liebt dich!