Gespannt betrete ich am 11. Dezember die Lutherkirche in Hannover, die zur Jugendkirche umgebaut wurde. Eine Glaswand und zwei große rote Quader teilen die Kirche in ein Foyer und einen dahinter liegenden Kirchraum. Der Ort passt zur Veranstaltung, denn hier wird gleich die aej die neue, die 17. Shell-Jugendstudie vorstellen. Viele Kolleg*innen aus unterschiedlichen Landeskirchen sind da. Gemeinsam hören wir in den nächsten Stunden gebannt Frau Prof. Dr. Gudrun Quenzel zu, die uns Schritt für Schritt hineinnimmt in die Faszination der Shell-Jugendstudien.
„Seit 1953 beauftragt Shell unabhängige Wissenschaftler und Institute mit der Erstellung von Studien, um Sichtweisen, Stimmungen und Erwartungen von Jugendlichen in Deutschland zu dokumentieren.“ Die Shell-Jugendstudie zeichnet nach, „auf welche Weise junge Menschen in Deutschland mit Herausforderungen umgehen und welche Verhaltensweisen, Einstellungen und Mentalitäten sie dabei herausbilden.“ (zitiert aus der Broschüre: Jugend 2015, 17. Shell Jugendstudie)
In einer repräsentativen Umfrage wurden Anfang diesen Jahres 2558 Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren befragt zu wichtigen Aspekten ihrer Lebenswelt. Daran schlossen sich sogenannte „Vertiefungsinterviews“ mit 21 ausgewählten Jugendlichen an.
Im Vergleich der Studien der vergangenen Jahre lässt sich feststellen, dass sich etwa alle 15 bis 20 Jahre eine neue „Generation“ von Jugendlichen entwickelt. Zurückzuführen ist das auf einen jeweils starken Wandel in den spezifischen Bedingungen des Aufwachsens, auf den Jugendliche reagieren.
Was heißt es heute, jung zu sein? In 2015 bestimmen unter Anderem folgende Faktoren das Aufwachsen: – Jugend ist Jugend in einer alternden Gesellschaft – die Bildungsanforderungen steigen – wir leben in einem digitalen Zeitalter.
Außerdem verschiebt sich die Übernahme gesellschaftlicher Rollen immer mehr; das heißt, die Übernahme geht komplett auseinander: In die Konsumentenrolle wachsen heute schon die 10-jährigen hinein, die politische Bürgerrolle wird mit 18 Jahren übernommen, die Berufsrolle in vielen Fällen erst mit 25-30 Jahren und die Familienrolle oft noch später. Die Ausbildung ist „nie“ abgeschlossen und die Berufsrollen werden immer unsicherer.
Wie reagieren Jugendliche auf diese Herausforderungen?
Die Shell-Jugendstudie 2015 macht einen neuen Trend aus:
Jungsein heute heißt:
- abnehmender Fokus auf den sozialen Nahbereich, also Familie, Freundschaften, Partnerschaft
- dafür ein zunehmendes Interesse an Gesellschaft und Politik
- zunehmendes Selbstbewusstsein bei den beruflichen Erwartungen
- Beruf soll Geld bringen UND Spaß machen
- Angst haben, den Schulabschluss nicht zu schaffen
- „Stress, der einen fertig macht …. lernen, lernen, lernen“ Zitat einer Jugendlichen aus den Vertiefungsinterviews
Einige Fragen der Studie bezogen sich auch auf religiöse Einstellungen. 35% aller Jugendlichen im befragten Alter sind evangelisch, 29% katholisch, 4% andere Christen, 8% Muslime, 23% gehören keiner Konfession/Religion an und 1% anderen Religionen.
Bei den evangelischen Jugendlichen antworteten auf die Frage, ob ihnen die Religion wichtig sei: 37% wichtig, 20% teils/teils, 41% unwichtig. Bei den muslimischen Jugendlichen waren die Antworten signifikant anders: 76% wichtig, 9% teils/teils, 10% unwichtig. Laut Prof. Quenzel ist das die einzige Fragestellung der Studie gewesen, in der es deutliche Unterschiede zwischen muslimischen und anderen Jugendlichen gab.
Auch zu ihren Vorstellungen von Gott wurden die Jugendlichen befragt. Bei den evangelischen Befragten antworteten 27%, dass sie an Gott glauben, 22% glauben an eine höhere Macht, 29% antworteten mit „weiß nicht“ und 19% glauben nicht, dass es einen Gott gibt.
Befragt nach der Häufigkeit des Betens antworteten 15%, dass sie mindestens 1x pro Woche beten (in 2006 waren es 21%).
Zu ihrer Einstellung zur Kirche befragt, antworteten 67%: gut, dass es Kirche gibt (2006 und 2010: 69%). „Kirche muss sich ändern“ meinten 64% und 57% sagten: Kirche hat keine Antworten auf Fragen, die mich wirklich bewegen.
Leider zählt die Kirche insgesamt nicht zu den Institutionen, denen Jugendliche hohes Vertrauen entgegenbringen:
das höchste Vertrauen genießen: Polizei, Gerichte, Bundeswehr, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen
mittleres Vertrauen: Gewerkschaften, Vereinte Nationen, EU, Bürgerinitiativen, Bundesregierung
eher geringes Vertrauen: Parteien, Banken und Kirchen
In einer abschließenden Diskussionsrunde wurde Prof. Quenzel gefragt, was Kirchen ihrer Meinung nach tun müssten, um wieder mehr Vertrauen zu genießen. Sie antwortete, dass sie in den Umfragen den Eindruck gewonnen hätte, dass für die Jugendlichen die Kirchen stark an Glaubwürdigkeit verloren hätten, weil das, was am Sonntag gepredigt werde, nicht mit dem Alltagsverhalten übereinstimme. In einem sehr persönlich geprägten Statement führte sie dann aus, dass eine der Hauptaufgaben der Kirche darin liege, den Menschen Kraft und Hoffnung zu geben.
Der Vortrag von Prof. Quenzel wird in den nächsten Tagen auf dem Infoportal der aej erscheinen:
http://www.evangelische-jugend.de/startseite
Foto: Uwe Martens
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